Anmelden

GEDANKEN ZUR SOLOFLÖTE

Wie spielt man ein Stück für Flöte allein?

Die Querflöte ist ein Melodie-Instrument, d.h. sie kann im Prinzip nur eine „Stimme“ auf einmal realisieren. Trotzdem gibt es in den meisten Werken für Flöte allein nicht nur die eine horizontale Linie, sondern auch eine vertikale Struktur, welche oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen, ja gleichsam unsichtbar oder verschlüsselt ist – anders als bei Werken für Klavier oder Orgel, wo diese vertikale Struktur komplett vorgegeben ist.

Ein Beispiel dafür sind die Fantasien für Flöte allein von Telemann. Hier geht es darum – wie in vielen anderen Barockstücken auch – die polyphone Struktur nicht nur zu erkennen, sondern auch hören zu lassen, quasi für den Hörer aufzubereiten. Dies ist ein wichtiger Aspekt des Solospiels: der Interpret muss sämtliche Strukturelemente einer Komposition – auch die unsichtbaren – sozusagen freilegen und für den Hörer erfahrbar machen.

Damit unterscheidet sich das Solospiel auch vom Musizieren im Ensemble oder Orchester, wo man nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen Musikern Struktur und Form eines Werkes gestaltet.

Es gibt noch weitere Besonderheiten beim Solospiel. Da man keine Rücksicht auf musikalische Partner nehmen muss, ergibt sich von selbst eine größere Freiheit, vor allem in der Gestaltung des Tempos. Wichtig ist aber, dass die Elastizität des Tempos nicht beliebig, sondern vom Hörer nachvollziehbar ist.

Ähnlich sieht es aus mit der Freiheit im Verzieren und Improvisieren bei barocken Werken. Auch hier sollte alles verständlich, möglichst stilgerecht und vor allem im Einklang mit der jeweiligen Harmonie und dem Affekt des Stückes sein.

Im Allgemeinen gilt: je moderner ein Solostück, desto mehr Anweisungen werden vom Komponisten vorgegeben. Trotzdem genügt es oft nicht, alles Notierte exakt wiederzugeben. Hier gilt es, trotz vieler neuer Techniken und Effekte den inneren Zusammenhalt eines Werkes zu finden, den Faktor Raum und gegebenenfalls den Inhalt, die „Story“ des Stückes, mit einzubeziehen. Auch hier gibt es also „unsichtbare“ Parameter, die in die gesamte Performance einfließen sollten.